Finden göttlichen Lebens

8. Dieses Finden göttlichen Lebens in den Tiefen der Wirklichkeit ist eine Sendung  der Hoffnung, die uns Jesuiten geschenkt worden ist. Wir gehen auf dem gleichen  Weg, den Ignatius gegangen ist. Wie bei ihm, so wird auch in unserer Erfahrung ein  Raum der Innerlichkeit eröffnet, wo Gott auf uns wirkt und wir dadurch fähig werden, 
die Welt als einen Raum zu sehen, in welchem Gott am Werk ist und der von seinem Ruf und seiner Gegenwart erfüllt ist. 
So treten wir mit Christus, der lebendiges Wasser bringt, in die ausgetrockneten und lebensfeindlichen Gebiete der Welt. Unsere Weise voranzugehen besteht darin, Gottes Spuren überall nachzugehen, im Wissen darum, dass der Geist Christi an allen Orten und in allen Situationen und allen Tätigkeiten und Vermittlungen am Werk ist, die ihn in der Welt gegenwärtiger zu machen suchen.

 Diese Sendung, die Gegenwart Gottes in allen Personen und Umständen der Welt „zu verspüren und zu schmecken (sentir y gustar)“ zu versuchen, stellt uns Jesuiten in das Zentrum einer „Spannung“, die uns gleichzeitig zu Gott und zur Welt zieht. So entsteht für Jesuiten in Sendung eine Reihe von Polaritäten ignatianischer Art, welche unsere ständige feste Verwurzelung in Gott begleiten, während wir zugleich in das Herz der Welt eingetaucht sind. 

9. Sein und Tun, Kontemplation und Aktion, Gebet und prophetisches Leben, ganz  mit Christus vereint sein und zusammen mit ihm als apostolischer Leib in die Welt  eingefügt sein: alle diese Polaritäten kennzeichnen tief das Leben eines Jesuiten und  drücken zugleich dessen Wesen und dessen Möglichkeiten aus.

 Die Evangelien zeigen uns Jesus in tiefer Liebesbeziehung zu seinem Vater und zugleich ganz hingeben für seine Sendung unter den Menschen. Er ist in ständiger Bewegung von Gott her für die anderen. 

Dies ist ebenfalls das jesuitische Lebensmodell: Mit Christus in Sendung, immer kontemplativ und immer aktiv.
Es ist die Gnade und auch die schöpferische Herausforderung unseres apostolischen Ordenslebens, dass es in dieser Spannung zwischen Gebet und Aktion, zwischen Mystik und Dienst geschieht. 

aus der 35. Generalkongregation der Gesellschaft Jesu 2008