Requiem
für P. Werner Herbeck in St. Canisius am 5.11.2020
Liebe
Weggefährten, Freundinnen und Freunde von P. Werner Herbeck,
liebe Mitbrüder,
„Damit
wir frei seien, hat Christus uns frei gemacht“ (Gal 5,1)
Es
ist der Weihespruch von P. Werner Herbeck SJ aus dem
Galaterbrief. Er steht auf seinem Primizbild aus dem Jahr 1962.
Er hat ihn sicher bewusst gewählt. Denn im Rückblick
auf ihn und sein Leben geschaut, darf man sagen: er hat sein
Leben begleitet. Er sagt viel über ihn aus, er lässt
uns sein Denken, sein Suchen, die Motivation für sein
Handeln, noch besser verstehen. Und so soll er auch jetzt, da er
am 29.10.2020 verstorben ist, am Ende seines irdischen Daseins,
auf seinem Sterbebildchen stehen. „Damit wir frei seien,
hat Christus uns frei gemacht.“
Wir wünschen ihm
von Herzen, dass er diese Freiheit in ihrer Vollendung bei Gott
nun für immer leben und erfahren darf.
Für
Christen ist es ein Privileg, ja, es ist Gnade, aus einem solchen
Glauben und Vertrauen leben und seine Welt gestalten zu dürfen.
Vielleicht wollte Werner Herbeck dies andeuten, als er vor
wenigen Jahren, bereits im Rückblick auf sein Leben und sein
Wirken, über sich selbst schrieb: am 29. Februar 1932
geboren, „ein privilegiertes Datum, welches mich nie
richtig alt werden ließ.“ – Er konnte ja nur
alle 4 Jahre seinen wirklichen Geburtstag feiern – Und er
fährt fort: „Ich habe im Leben viele Privilegien
erhalten, die es mir ermöglichten, mich für andere
stark zu machen“.
Ich glaube, es war eine Stärke
von ihm, sich „für andere“ stark zu machen. Er
war auch feinfühlig und sensibel, konnte genießen und
Dinge wertschätzen. Wer ihn näher kannte, wusste dies.
Aber, so konnte man beobachten, sein Wesen und sein Charakter
wurden vor allem dann stark, konfliktbereit, auch heftig, wenn er
glaubte, um jemandes Recht kämpfen zu müssen. Und er
sah genug in Gottes Schöpfung, was noch besser werden
durfte, wofür er kämpfen wollte.
Wer ihn aus
seiner Darmstädter Zeit kennt, weiß um seinen Einsatz
in der Studentenarbeit, in den sogenannten 68-gern, weiß um
Gespräche und Diskussionen, aber vor allem auch um seine
Initiativen, sei es an der Technischen Hochschule, sei in
praktischen Fragen der Kinderbetreuung, sei es im Eingehen auf
die Not von Menschen in der ökumenischen Telefonseelsorge.
Das Christliche war für ihn immer auch Sozialarbeit,
handfeste Nächstenliebe.
Und auch nach seiner Rückkehr
nach Berlin, nach 10-jähriger Tätigkeit in Darmstadt,
blieb er diesem Blick auf das Leben und den Glauben treu. Das 2.
Vatikanische Konzil, auch mit seinen liturgischen Anstößen,
die erneuerte Exegese, die Theologie der Befreiung und die
Gedanken von Johann Baptist Metz – all diese Aufbrüche
prägten ihn und bestimmten sein Handeln und seinen Glauben
an den Gott, der Freiheit schenkt, der zur Freiheit ruft. Ich
glaube, dass viele von Ihnen ihn so erlebt haben, sei es als
Geistlicher Leiter der Gemeinschaft Katholischer Männer und
Frauen (KMF) im Bund Neudeutschland (ND), sei es bei den
Schwestern im Karmel in Regina Martyrum, wo er sich dem Anliegen
der „Widerständler der Nazizeit“ nahe fühlte.
Oder als Kümmerer und Ansprechpartner für die vielen
Ehemaligen am Canisiuskolleg, seiner Schule, wo er zu seiner
Berufung gefunden hatte.
Nur in dieser engagierten Haltung
war es ihm wohl auch möglich, 20 Jahre die Offene Tür
hier in Berlin zu leiten; wenn es ein musste, auch Hausbesetzer
zu spielen, wenn es galt, z.B. das In Via Zentrum in Karlshorst
für eine kleine, mutige, geistliche Gemeinschaft vor
staatlicher Bedrohung zu schützen. Er tat noch vieles andere
mehr, was viele von ihnen nur persönlich wissen und P.
Werner Herbeck von Herzen wohl dafür dankbar sind.
Bis
zuletzt war sein Leben und Wirken geprägt von einem wachen
Interesse an neuen Fragestellungen und Entwicklungen in Kirche
und Gesellschaft, sowie vom tatkräftigen Engagement in
sozialen und politischen Fragen. Konzentration auf den Binnenraum
von Kirche lag ihm nicht, sein Anliegen war es, an die „Hecken
und Zäune" zu gehen. Dort haben ihn viele gefunden.
2014
zog er dann aus gesundheitlichen Gründen in das
Peter-Faber-Haus in Berlin-Kladow. Er hatte am Ende seines
Lebens, mit über 88 Jahren, mit manchen Krankheiten zu
kämpfen, die ihm eine Last waren. Er, der immer aktiv war
und handeln wollte, der frei sein wollte für andere und
frei, neue Orte zu entdecken, aufzubrechen, er sah sich –
oft auch sehr unwillig und ungeduldig - immer mehr auf sich
selbst zurückgeworfen, erlebte Gebrechlichkeit und
Hinfälligkeit. Aber gerade auch in dieser Phase durfte er
eine große Treue von Freundschaften und eine aufmerksame,
behutsame Pflege erfahren. Der Park im Peter Faber Haus war ihm
wie eine gute Medizin: das tägliche Streifen durch den
Garten, das stundenlange Sitzen am Wasser der Havel, das
Beobachten der vorüberziehenden Schiffe.
Und doch: Der
Gedanke nach Aufbruch ließ ihn nicht los. Selbst in der
Nacht vor seinem Tod richtete er noch seine Sachen in einer
Tasche zusammen. Er muss doch gehen – so immer mal wieder
sein Kommentar, wenn er dieses Ritual vollzog.
Nun ist er
gegangen, er ist aufgebrochen. Am 29.Oktober hat er uns
losgelassen, fast überraschend schnell. Jetzt müssen
wir ihn loslassen. Und wir wollen ihn in die Hände Gottes
geben.
Wir
haben nicht das Wissen, wir haben aber die feste Hoffnung und die
Zuversicht, dass er ankommen darf, ankommen bei seinem
Herrn,
dem er vertraute, dem er nachfolgte in seinem Einsatz für
Glaube und Gerechtigkeit. Und der, wie wir hoffen, alles heilen
und vollenden will, das Gelungenen und das Unvollkommene, das
Scheitern und das Geglückte, auch ihn, P. Werner Herbeck.
Ja, dieser Gott, lieber Werner, soll dich erwarten. Dieser
Gott, der einst zu dir sagte: Ich will, dass du bist, dass du da
bist, Werner, und dass du lebst. Denn ich will nichts und
niemanden, den ich einmal mit Namen ins Dasein gerufen habe,
einfach verloren gehen lassen. Ich will Wohnung, Heimat und
Bleibe schenken, für immer, auch dir und einmal uns allen.
Dein Aufbrechen soll auch zu einem Ankommen werden, zu einem
Erwartet werden.
So will ich mit den Worten eines Liedes
beten, das wir vielleicht mit ihm, dem verstorbenen Mitbruder,
Freund und Weggefährten Werner und für ihn sprechen
können:
Herr, mein Leben, geb ich zurück in deine
Hände, denn du gabst es mir.
Du Herr bist ja, der
Zeiten Ursprung und ihr Ende, ich vertraue dir.
Denn du
machst das Dunkel hell.
Wünschen wir ihm dieses
hellmachende, heilende Licht von ganzem Herzen. Und mögen
ihn der Friede und die Freiheit Gottes nun für immer umarmen
und vollenden. Er bleibt uns ein himmlischer Freund. Amen.
P.
Joachim Gimbler sj
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