EXERZITIEN |
Denn nicht das viele Wissen sättigt und befriedigt die Seele, sondern das Innerlich-die-Dinge-Verspüren-und-Schmecken. (GÜ 4)
So ist es doch in diesen geistlichen Übungen beim Suchen des göttlichen Willens angebrachter und viel besser, dass der Schöpfer und Herr selbst sich seiner frommen Seele mitteilt, indem er sie zu seiner Liebe und seinem Lobpreis umfängt und sie auf den Weg einstellt, auf dem sie ihm fortan besser dienen kann. (GÜ 15)
Der die Übungen gibt, soll sich also weder zu der einen Seite wenden oder hinneigen noch zu der anderen, sondern in der Mitte stehend wie eine Waage unmittelbar den Schöpfer mit dem Geschöpf wirken lassen und das Geschöpf mit seinem Schöpfer und Herrn. (GÜ 15)
Jeder gute Christ muss bereitwilliger sein, die Aussage des Nächsten zu retten, als sie zu verurteilen und wenn er sie nicht retten kann, erkundige er sich, wie jener sie versteht und versteht jener sie schlecht, so verbessere er ihn mit Liebe. (GÜ 22)
Prinzip
und Fundament im Film bei youtoube
Ursprung der Exerzitien Die
Anfänge der Exerzitien gehen zurück auf eine Erfahrung
des Ignatius von Loyola, die er 1521 auf dem Krankenlager und
in den folgenden Monaten und Jahren seines Lebens machte. Als er
seine Gedanken und Stimmungen beobachtete, merkte er, wie
unterschiedlich diese sich auswirkten. Weiterführende
Erfahrungen der Freude, der Ruhe, der Ermutigung und Hoffnung
ordnete er dem guten Geist zu; andere, die ihn traurig stimmten,
verzweifelt machten und lähmten, führte er auf den bösen Geist
zurück. Die Geschichte dieser Erfahrungen sind uns im
Pilgerbericht zugänglich. Indem Ignatius sich auf die Seite der
tröstenden Erfahrungen stellte, und den inneren Bewegungen, die
ihnen zugrunde lagen, folgte, gelang es ihm, sein Leben neu zu
ordnen und sich Gott zur Verfügung zu stellen. Diesen
langwierigen Prozess zusammenfassend, beschreibt er später im
Exerzitienbüchlein den Sinn der Übungen so: "Geistliche
Übungen nennt man jede Weise, die Seele vorzubereiten und in
Bereitstellung zu setzen, dazu hin, alle ungeordneten
Hinneigungen von sich zu tun, und nachdem sie abgelegt sind, den
göttlichen Willen zu suchen und zu finden in der Einrichtung des
eigenen Lebens zum Heile der Seele." Auch wenn der
sprachliche Ausdruck etwas sperrig wirkt, so ist die Aussage sehr
realistisch und präzis. Formen der Exerzitien Im Lauf der Geschichte hat es verschiedenste Formen der Exerzitien gegeben. Viele werden sich an die gepredigten Vortragsexerzitien, erinnern, bei denen für 30-100 Leute mehrere Vorträge pro Tag zu Glaubensfragen und Themen des religiösen Lebens gehalten wurden und werden: Gott, unser Schöpfer; Sünde, Umkehr, Erlösung durch Jesus Christus, an der wir vor allem durch das Bußsakrament Anteil bekommen; Nachfolge Christi, Feier der Eucharistie; Gebet. Diese Bereiche kommen in solchen Exerzitien meist zur Sprache. Das Ziel dieser Tage war eine gute Beichte. Überdies sollten Orientierungshilfen für das Glaubensleben gegeben werden. Die Einübung in das Glaubensleben und noch mehr die persönliche Führung des Einzelnen kommen dabei wegen der großen Teilnehmerzahl zu kurz. Einzelexerzitien Die ursprüngliche Form der Exerzitien, die wieder neu entdeckt worden ist, sind Einzelexerzitien ohne Vorträge, wo ein Begleiter eine bis zehn Personen über eine Zeit von 5-30 Tagenbegleitet. Täglich ein bis zweimal trifft er sich mit dem Exerzitanten und erfährt im Gespräch, wie es dem Übenden bei seinen Betrachtungen ergangen ist, was für ihn wichtig war. Sokann er herausfinden, wo er den Exerzitanden stützen muß, welchen Meditationsstoff er ihm anbietet, ob er ihm eher zu einer vertiefenden Wiederholung der vorangehenden Betrachtung rät. Das Gespräch hilft dem Exerzitanten, besser zu sehen und zu formulieren, was in ihm vorgeht, gibt ihm auch Mut, manche Dinge anzuschauen, die er ohne ein solches lebendiges Gegenüber nie gewagt hätte anzusehen. Solche Einzelexerzitien, die heute bei Ordensleuten, Priestern und Laien mehr gefragt sind, erfordern mindestens eine Zeit von sechs, besser von acht bis zehn Tagen. Exerzitien im Alltag Es gibt auch noch eine andere Form: Exerzitien im Alltag. Diese dauern einen längeren Zeitraum von Wochen und Monaten. Der Exerzitant geht weiter seiner Arbeit nach, nimmt sich aber täglich einen Freiraum für Gebet und Betrachtung und trifft sich regelmäßig einmal pro Woche mit seinem Begleiter. Diese Form hilft dazu, den Alltag sehr bewußt aus dem Glauben zu leben und zu gestalten. Voraussetzungen Welche Voraussetzungen für Exerzitien sind nun notwendig? Der Exerzitant muss bereit sein, beim Hören und Meditieren der Botschaft Christi in einen Prozess der Selbsterkenntnis einzusteigen, in dem er seine ungeordneten Neigungen erkennt und ablegt. Dies ist nicht nur eine Sache des Willens, - viele würden vielleicht zweifeln, dass dies überhaupt möglich ist -, sondern eine Sache der Gnade Gottes, der in der Seele des Einzelnen wirken will. Von ihm stammt ja letztlich auch der Wunsch des Exerzitanten, so an sich zu arbeiten und arbeiten zulassen. Jesus fragt die Menschen, die zu ihm kommen, immer wieder: "Was willst du, dass ich dir tun soll, und glaubst du, dass ich dich heilen kann?" Großes Vertrauen in das WirkenGottes ist also notwendig. Standortbestimmung Was geschieht nun in solchen Tagen der Besinnung und des Gebetes? Zuerst geht es um eine Standortbestimmung ganz persönlicher Art: Was bewegt und beschäftigt mich jetzt? Dann allgemeinerer Art, zu sehen, was Ziel und Aufgabe des Menschen im Schöpfungszusammenhang ist, sozusagen ein Idealbild, so wie Gott den Menschen geschaffen hat. Der Exerzitant wird sich fragen, inwieweit er in seiner Haltung und seinem Tun diesem Bild entspricht, inwieweit er ihm widerspricht, wo Hindernisse sind, die er abbauen müsste, wo es Möglichkeiten für ihn gibt, durch die er wachsen kann. Sich so im Lichte Gottes anzuschauen, ist eigentlich nur möglich, wenn man glaubt, dass Gott uns unendlich liebt und dass er selbst Ziel und Inhalt des ganzen Lebens ist. Da er uns durch seinen Sohn erlöst hat von aller falschen Selbstbezogenheit, ist es die Aufgabe, in den 4 - 5 einstündigen Betrachtungen täglich der Evangelien zusammen mit Christus die eigene Sendung und Berufung zu erkennen, um Gott besser dienen zu können, und eine Kurskorrektur da vorzunehmen, wo es notwendig ist. Hilfen auf dem Weg Hilfen auf diesem Weg sind Betrachtungen des Lebens Christi. Eine andere Hilfe ist Abgeschiedenheit, möglichst an einem Ort, wo man vom Alltagsgeschehen frei ist und Zeiten des Schweigens gut möglich sind. Hilfe ist auch der Besuch der heiligen Messe, damit der Exerzitant nicht nur sich selbst überlassen, sondern eingebettet ist in den objektiven Erlösungzusammenhang.Hilfe ist das tägliche Gespräch mit dem Begleiter. Wie oft und wie lange macht man Exerzitien? Den
Ordensleuten ist empfohlen, jährlich 6 - 8 tägige Exerzitien zu
halten. Aber auch viele Laien haben entdeckt, dass dies für ihre
geistliche Orientierung und Vertiefung notwendig ist. So ziehen
sie sich im Rhythmus von ein bis zwei Jahren gemeinsam oder
allein zu Zeiten des Gebetes zurück. Ignatius
schreibt 1536 an Miona über die geistliche Übungen: Gundikar Hock sj |
| (Aus dem Brief von P. General Pedro Arrupe an die Gesellschaft Jesu vom 2.1.67: Unsere Antwort auf die Dekrete der 31. General- kongregation; 31. GK S. II,VI,VIIf.) Die Exerzitien helfen, Christen zu formen, denen eine persönliche Erfahrung des erlösenden Gottes geschenkt wird, und die zugleich fähig werden, sich von den Irrtümern, der Ideologien und Systemen zu distanzieren und doch, wo immer es nötig ist, mitzuirken an der Erneuerung der sozialen und kulturellen Strukturen. (32. Generalkongregation Dekret 4,58)
|
Bücher zum Thema Exerzitien Aus der umfangreichen Literatur seien hier nur einige wenige genannt, die nicht im eigentlich Sinn wissenschaftliche Werke, sondern hilfreiche und gehaltvolle Einführungen in die ignatianische Spiritualität und die Exerzitien sind. Kiechle, Stefan: Ignatius von Loyola. Meister der Spiritualität. Freiburg 2001. - Lambert, Willi: Aus Liebe zur Wirklichkeit. Grundworte ignatianischer Spiritualität. Grünewald 2000 (5. Aufl.) - In Kurzartikeln werden ca. 60 Grundworte - in der Ordnung des Exerzitienweges dargestellt. Köster, Peter: Zur Freiheit berufen. Kleiner Kommentar zu den Großen Exerzitien des hl. Ignatius. Leipzig 1999. - Für Leser und Kenner des Exerzitienbuches. Sorgfältig werden die Struktur und die Erfahrungen des Exerzitienweges herausgearbeitet. Korrespondenz zur Spiritualität der Exerzitien. Bei St. Ursula 5, 86150 Augsburg Tel.: 0821 34668-0, Fax: -20 . Ignatius von Loyola: Geistliche Übungen, Alex Lefrank: Umwandlung in Christus. Die Dynamik des Exerzitien-Prozesses. Echter, 2009
|
letzte Änderung: 12.6.2022
zurück zur Homepage