Kirche im neuen
Jahrtausend
43. Die Kirche zum Haus und zur Schule der Gemeinschaft
machen,
darin liegt die große Herausforderung,
die in dem beginnenden Jahrtausend vor uns steht, wenn wir dem
Plan Gottes treu sein und auch den tiefgreifenden Erwartungen der
Welt entsprechen wollen.
Was bedeutet das
konkret? Auch hier könnte die Rede sofort praktisch werden,
doch es wäre falsch, einem solchen Anstoß nachzugeben.
Vor der Planung konkreter Initiativen gilt es, eine
Spiritualität der Gemeinschaft zu fördern,
indem man sie überall dort als Erziehungsprinzip
herausstellt, wo man den Menschen und Christen formt, wo man die
geweihten Amtsträger, die Ordensleute und die Mitarbeiter in
der Seelsorge ausbildet, wo man die Familien und Gemeinden
aufbaut.
Spiritualität der Gemeinschaft
bedeutet vor allem, den Blick des Herzens auf das Geheimnis der
Dreifaltigkeit zu lenken, das in uns wohnt und dessen Licht auch
auf dem Angesicht der Brüder und Schwestern neben uns
wahrgenommen werden muss. Spiritualität der Gemeinschaft
bedeutet zudem die Fähigkeit, den Bruder und die Schwester
im Glauben in der tiefen Einheit des mystischen Leibes zu
erkennen, d. h. es geht um „einen, der zu mir gehört“,
damit ich seine Freuden und seine Leiden teilen, seine Wünsche
erahnen und mich seiner Bedürfnisse annehmen und ihm
schließlich echte, tiefe Freundschaft anbieten kann.
Spiritualität der Gemeinschaft
ist auch die Fähigkeit, vor allem das Positive im anderen zu
sehen, um es als Gottesgeschenk anzunehmen und zu schätzen:
nicht nur ein Geschenk für den anderen, der es direkt
empfangen hat, sondern auch ein „Geschenk für mich“.
Spiritualität der Gemeinschaft heißt schließlich,
dem Bruder „Platz machen“ können, indem „einer
des anderen Last trägt“ (Gal 6,2) und den egoistischen
Versuchungen widersteht, die uns dauernd bedrohen und Rivalität,
Karrierismus, Misstrauen und Eifersüchteleien erzeugen.
Machen wir uns keine Illusionen: Ohne diesen geistlichen Weg
würden die äußeren Mittel der Gemeinschaft recht
wenig nützen. Sie würden zu seelenlosen Apparaten
werden, eher Masken der Gemeinschaft als Möglichkeiten, dass
diese sich ausdrücken und wachsen kann.
(Aus dem apostolischen Schreiben Novo Millenio ineunte (zu
Beginn des neuen Jahrtausends) Januar 2001.
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