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Die PASSION Christi in den Exerzitien betrachten

"So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab." 

Allmächtiger, gütiger Gott, du gehst uns nach bis in die letzten Verlorenheit und 

willst uns nahe sein. Gib, daß wir aufmerksam werden für dein Wirken und 
uns immer mehr hineinnehmen lassen in das Geheimnis deines Sohnes, 
der sein Leben für uns gab. Amen.

Die Passion im Exerzitienbuch steht an der Stelle, wo die Wahl abgeschlossen ist. Aus der Situation des Hin und Her, des Abwägens, welches nun mein konkreter Weg ist, vor Gott eine Entschiedenheit gefunden zu haben und sich immer mehr ausrichten zu lassen von dem, der mich gerufen hat. 

In dieser Situation ist die Passionswoche so etwas wie eine neue Bestätigung und Bekräftigung der Wahl, da wo ich bis in die letzten Fasern meines Daseins gefordert werde,  da wo ich nicht mehr ausweichen kann, da wird sich heraustellen, wie tief und echt meine Wahl gewesen ist.

Kurz einiges zu der Art und Weise, wie Ignatius diese Woche angeht: Es fällt auf, dass diese Betrachtungen mit dem Abendmahl beginnen. Die Abendmahlsbetrachtung ist sozusagen der Konzentrationspunkt, in welchem dieses ganze Geschehen verdichtet und vorweggenommen ist in der zeichenhaften Handlung, in der Jesus sich selbst den Seinen hingibt. 

Aus freiem Willen, heißt es im Kanon der Messe, nahm er das Leiden auf sich. Also nicht einfach eine Situation, in die er hineingeschlittert ist, obwohl sie eine Konsequenz seines Verhaltens ist, sondern eine Situation, die er mit vollem Bewusstsein von Gott her als seinen Weg her annimmt. 

Die Passionswoche, die Situation des Leidens zeigt sich in den verschiedenen Phasen und Wochen des Exerzitienbuches. In der Fundamentsphase, dort wo es um den ganzen Menschen geht, seine ganze Dimension von Schmach und Ehre, Gesundheit und Krankheit, von langem Leben und kurzem Leben usw. 

In der Ersten Woche geht es um das selbst erlittene Leid, was mir in meinem Leben zugefügt worden ist und was mich bestimmt hat, so oder so zu werden oder zu sein. 

Dann geht es in der Ersten Woche auch darum, auch das Leid einzugestehen, das ich selbst anderen zugefügt habe und dann geht es darum, die Liebe Jesu, der für mich leidet, zu erkennen und vor ihm mein Leid und meine Leiderfahrung da sein zu lassen und mich befreien zu lassen. 

In der Zweiten Woche des Exerzitienbuches geht es dann um eigene Leidensbereitschaft in der Nachfolge Jesu Christi, die im dritten Grad der Demut (EB) ihren Gipfel findet. 

In der Dritten Woche, der eigentlichen Passionswoche, geht es um ein Mitgehen des Passionsweges, wobei immer wieder die Formulierungen auffallen "von .. bis". Also in der ersten Betrachtung "von Bethanien nach Jerusalem".

 Oder "vom Abendmahl bis zum Garten". Oder "von Herodes zu Pilatus". Dieses Hin- und Hergezerrtwerden, was sich auch in der Kreuzhaltung, der auseinandergerissenen und gehaltenen Arme zeigt, dieses Hin und Her des Menschen, der von einem zum anderen geschleppt wird, zeigt sich in den Präpositionen von .. bis. 
Hier ist es nicht mehr Jesus, der selbst den Weg bestimmt, den er geht, sondern nachdem er sich in diese Phase eingelassen hat, ist er derjenige, der sozusagen am Strick genommen wird und vom einen zum anderen Ort hingeht. 
Eine zweite Formel, die auffällt, ist: Bei jeder Betrachtung heißt es hier: DAS GEHEIMNIS, DIE GEHEIMNISSE. 
Zwar steht dieses Wort "Geheimnis" überhaupt als Titel über allen Betrachtungen auch der Zweiten Woche, aber in der  Dritten Woche wird es bei jeder einzelnen Betrachtung immer wieder genannt. Ich denke, dass sich gerade hier, in der Formulierung: betrachten "wie sich die Gottheit verbirgt", das Geheimnis des Menschgewordenen noch dichter wird. Das Geheimnis dessen, der sich so weit seiner Gottheit entäußert, dass man ihn kaum mehr als Gott erkennen kann sondern ihn für einen Verbrecher hält. Er ist in die Haut des Verbrechers geschlüpft. Er ist, wie es Paulus einmal sehr stark ausdrückt, zur Sünde geworden, um unsere Sünde an das Kreuz schlagen zu lassen. 

Die vier Aspekte des Leidens sind auch im Passionsweg Jesu zu spüren. 

Einmal der rein physische, der schon bei dem "Er schwitzte Blut" am Ölberg bis hinein in die unendlich große Qual der Folterungen und der Kreuzigung. Dann die affektive Ebene, das Verspottetwerden, Schmach erdulden, ist für uns ein kaum nachvollziehbarer Abgrund von Schmerz auch im Erkenntnisbereich, wo es zuweilen so ist, dass der Verstand in ein Dunkel getaucht ist, wo er nicht mehr den Sinn des Ganzen erkennen kann. Auch der Wille, kann nichts weiter tun, als eben anzunehmen, durchzustehen, er fühlt sich nicht mehr als Macht, sondern als Ohnmacht,  als leiden müssen. 
Was auf dem Passionsweg weiter auffällt ist dies, dass Jesus hier als der große Schweigende erscheint. 
Bei Ignatius sind alle Worte übergangen bis auf die sieben Worte am Kreuz. 
Damit wollte er herausarbeiten, dass dieses Schweigen, dieses Nichtmehrreden, nachdem er doch in der Öffentlichkeit alles gesagt hatte,
der letzte Aspekt seiner erlösenden Ohnmacht ist. 

Bei den Passionsstationen fallen die verschiedenen Schritte auf. Zuerst die freie Hingabe seiner selbst in der Hingabe an seine Jünger, die Auslieferung, in der noch einmal durch einen Verrat von Judas einer aus den eigenen Reihen den Freund, den Meister verrät. Die zweite Auslieferung an die Juden, an das jüdische Volk. Die dritte Stufe die Auslieferung an die Heiden,  verkörpert in Pilatus und zuletzt wird er gekreuzigt als der König der Juden. 

Die Passion Jesu selbst hat mehrere Phasen. In der ersten Phase, der Ölbergphase, ist noch der Widerstand und die Auseinandersetzung gegen den Schmerz und die Sinnlosigkeit da: "Vater, nimm diesen Kelch von mir". Danach die Ergebung in den Willen des Vaters und das Gestärktwerden. 

In der zweiten Phase findet sich die Passion in ihrem physischen Ablauf als reines Durchstehen seiner Sendung bis zum Ende,  die in dem Wort gipfelt: "Es ist vollbracht." 
Ein dritter wichtiger Punkt bei der Passion ist das stellvertretende Leiden, was sich in der Geöffnetheit seines Herzens für die anderen zeigt, wo er nicht Böses mit Bösem vergilt, sondern Böses mit Gutem, wo er für seine Feinde bittet. 
Paulus kann das später einmal auch für das Leiden des Christen so formulieren: 
Ich ergänze an meinem Leibe, was an den Leiden Christi noch aussteht. Man kann vielleicht auch so sagen: 
was noch nicht sichtbar geworden ist, denn Christus hat schon genug getan für alle.
 
Ich möchte mit einem Wort von Karl Rahner schließen:
"Wir treffen in Jesu Gehorsam das schweigende, von niemand begriffene Ja zum Ende, zum ohnmächtigen Sterben in der Verlassenheit. Diese Lebenstat Jesu am Kreuz ist gerade darin auch das Ja zur Unbegreiflichkeit Gottes.
Der Tod, den Jesus da stirbt ist das Sich-fallen-lassen in das verzehrende Gericht Gottes. Er nimmt den Zorn Gottes 
auf sich, der der Sünde gilt, um uns zu erlösen. Jesus erlebt den Tod nicht bloß als biologisches Vorkommnis, sondern als die absolute Finsternis der Hölle."  So schreibt Rahner.
Man könnte sagen, dass Jesus nur darum nicht in der Hölle ist, weil er die unbegreifliche, absolute Kraft seiner Liebe in sie hinein genommen hat. Diese Aussage zeigt, welche Gratwanderung sich auch schon für die Sprache zeigt, um dem nahezukommen, worum es in diesem Tod Jesu für uns geht. 

Die Haltung der Exerzitanten in dieser Passionsbetrachtung ist ein Stück anders als in der Ersten Woche. 

In der Ersten Woche schon ging es besonders auch darum, sich in den verschiedenen Personen, die Jesus im Stich gelassen haben, zu finden. In der Passionsbetrachtung selber, (auch das ist wieder auffallend in der Auswahl der Stellen, die Ignatius gibt,) geht es immer wieder nur um die Blickrichtung auf Jesus selber. Iim Blickkontakt mit ihm diese Woche zu durchgehen. Deswegen ist dieses christliche von Paulus geprägte syn = mit ein so wichtiges Wort: mit ihm leiden, mit ihm sich zermalmen lassen. So stark drückt Ignatius das aus. Auf diese Weise der Kontemplation, des Anschauens und des sich durchdringen-lassen, sich selbst in diesen Prozess immer tiefer hineinnehmen zu lassen, 
bereit, sich läutern zu lassen durch die Teilhabe am Leiden Christi und das eigene Leid hineinbergen in dieses unendlich viel größere Leid, das er für uns erlitten hat. 

Gundikar Hock