Das Gespräch am Jakobsbrunnen (Joh 4)

(In diesem Gespräch gibt es 7 GesprächsTakte für Jesus (blau) bis zum Ich binWort -
und 7 GesprächsTakte für die Samaritanerin (rot) bis zu ihrer Aussage .. ist er der Messias?
der vierte Takt- das Mittelstück (Vers 16) - bringt die Wende)

1 Jesus erfuhr, dass die Pharisäer gehört hatten, er gewinne und taufe mehr Jünger als Johannes -
2 allerdings taufte nicht Jesus selbst, sondern seine Jünger -; 3 daraufhin verließ er Judäa und 
ging wieder nach Galiläa. 4 Er musste aber den Weg durch Samarien nehmen. 5 So kam er zu einem Ort in Samarien, der Sychar hieß und nahe bei dem Grundstück lag,
das Jakob seinem Sohn Josef vermacht hatte.
6 Dort befand sich der Jakobsbrunnen. Jesus war müde von der Reise und setzte sich daher an den Brunnen; es war um die sechste Stunde. 

7 Da kam eine samaritische Frau, um Wasser zu schöpfen.
Jesus sagte zu ihr: Gib mir zu trinken!
8 Seine Jünger waren nämlich in den Ort gegangen, um etwas zum Essen zu kaufen.
9 Die samaritische Frau sagte zu ihm: 
Wie kannst du als Jude mich, eine Samariterin, um Wasser bitten? 
Die Juden verkehren nämlich nicht mit den Samaritern.
10 Jesus antwortete ihr: 
Wenn du wüsstest, worin die Gabe Gottes besteht und wer es ist, der zu dir sagt: Gib mir zu trinken!, dann hättest du ihn gebeten, und er hätte dir lebendiges Wasser gegeben.
11 Sie sagte zu ihm: Herr, du hast kein Schöpfgefäß, und der Brunnen ist tief; woher hast du 
also das lebendige Wasser? 12 Bist du etwa größer als unser Vater Jakob, der uns den Brunnen gegeben und selbst daraus getrunken hat, wie seine Söhne und seine Herden?
13 Jesus antwortete ihr: Wer von diesem Wasser trinkt, wird wieder Durst bekommen;
14 wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, wird niemals mehr Durst haben; vielmehr wird das Wasser, das ich ihm gebe,
in ihm zur sprudelnden Quelle werden, deren Wasser ewiges Leben schenkt.

15 Da sagte die Frau zu ihm: Herr, gib mir dieses Wasser, damit ich keinen Durst mehr habe 
und nicht mehr hierher kommen muss, um Wasser zu schöpfen.
16 Er sagte zu ihr: Geh, ruf deinen Mann und komm wieder her!
17 Die Frau antwortete: Ich habe keinen Mann
Jesus sagte zu ihr: Du hast richtig gesagt: Ich habe keinen Mann. Denn fünf Männer hast du gehabt und der, den du jetzt hast, ist nicht dein Mann. Damit hast du die Wahrheit gesagt.
19 Die Frau sagte zu ihm: Herr, ich sehe, dass du ein Prophet bist.  Unsere Väter haben auf diesem Berg Gott angebetet; ihr aber sagt, in Jerusalem sei die Stätte, wo man anbeten muss.
21 Jesus sprach zu ihr: Glaube mir, Frau, die Stunde kommt, zu der ihr weder auf diesem Berg noch in Jerusalem den Vater anbeten werdet. Ihr betet an, was ihr nicht kennt, wir beten an,
was wir kennen; denn das Heil kommt von den Juden. Aber die Stunde kommt und sie ist schon da, zu der die wahren Beter den Vater anbeten werden im Geist und in der Wahrheit;
denn so will der Vater angebetet werden. Gott ist Geist und alle, die ihn anbeten, müssen im Geist und in der Wahrheit anbeten.

25 Die Frau sagte zu ihm: Ich weiß, dass der Messias kommt, das ist: der Gesalbte (Christus). Wenn er kommt, wird er uns alles verkünden.
26 Da sagte Jesus zu ihr: Ich bin es, ich, der mit dir spricht.

27 Inzwischen waren seine Jünger zurückgekommen. Sie wunderten sich, dass er mit einer Frau sprach, aber keiner sagte: Was willst du?, oder: Was redest du mit ihr?

28 Da ließ die Frau ihren Wasserkrug stehen, eilte in den Ort und sagte zu den Leuten:
29 Kommt her, seht, da ist ein Mann, der mir alles gesagt hat, was ich getan habe: Ist er vielleicht der Messias? 
30 Da liefen sie hinaus aus dem Ort und gingen zu Jesus.

---------
31 Währenddessen drängten ihn seine Jünger: Rabbi, iss
32 Er aber sagte zu ihnen: Ich lebe von einer Speise, die ihr nicht kennt.
33 Da sagten die Jünger zueinander: Hat ihm jemand etwas zu essen gebracht? 
34 Jesus sprach zu ihnen: Meine Speise ist es, den Willen dessen zu tun, der mich gesandt hat, und sein Werk zu Ende zu führen.
34 Sagt ihr nicht: Noch vier Monate dauert es bis zur Ernte? 
Ich aber sage euch: Blickt umher und seht, dass die Felder weiß sind, reif zur Ernte. 36 Schon empfängt der Schnitter seinen Lohn und sammelt Frucht für das ewige Leben,
so dass sich der Sämann und der Schnitter gemeinsam freuen. 

37 Denn hier hat das Sprichwort recht: Einer sät und ein anderer erntet.
38 Ich habe euch gesandt zu ernten, wofür ihr nicht gearbeitet habt; andere haben gearbeitet 
und ihr erntet die Frucht ihrer Arbeit

39 Viele Samariter aus jenem Ort kamen zum Glauben an Jesus auf das Wort der Frau hin, die bezeugt hatte: Er hat mir alles gesagt, was ich getan habe.
Als die Samariter zu ihm kamen, baten sie ihn, bei ihnen zu bleiben; und er blieb dort zwei Tage.
41 Und noch viel mehr Leute kamen zum Glauben an ihn aufgrund seiner eigenen Worte.

42 Und zu der Frau sagten sie: Nicht mehr aufgrund deiner Aussage glauben wir, sondern weil wir ihn selbst gehört haben und nun wissen: Er ist wirklich der Retter der Welt. 
.


 
 
    .

    EINÜBUNG UND WEISUNG
 

   Das Gespräch mit Jesus wagen - Eine Betrachtung zu Joh 4,1-26
 

    Im Leben des hl. Ignatius war es ein entscheidender Augenblick, als ihm auf
    der Suche nach geistlichen Lehrern einmal eine alte Frau begegnete und ihm
    sagte: "Ich wünschte dir, dass dir Christus begegnete" l. Ignatius reagierte er-
    staunt und betroffen. Ihm sollte eine Erscheinung zuteil werden? - Das Wort
    der Frau ließ ihn nicht los. Es beschäftigte ihn. Und tatsächlich geschah es
    schließlich, dass ihm Christus erschien und ihm seine Sendung klarmachte.
    Wünschen wir uns das ab und zu, dass Christus uns begegnete? Ich meine, wir
    müssten dafür offen sein. Wie eine solche Begegnung ausschauen kann, schildert
    auf exemplarische Weise die Erzählung des Gesprächs zwischen der Samariterin
    und Jesus am Jakobsbrunnen. Persönliche Konturen nimmt diese Szene für uns
    jedoch nur an, wenn wir sie aktualisieren und uns fragen, welche der aufgezeig-
    ten Mechanismen dieser Frau wir in uns selber antreffen.
 

    Vorsicht und Neugierde

    Da kommt eine Frau zum Brunnen. Sie trifft auf einen ihr unbekannten Mann.
    Dieser spricht sie an und bittet um einen Schluck Wasser: "Gib mir zu trinken."
    (4,7) Sie merkt sofort, dass dieser Fremde Jude ist und wundert sich deshalb
    über die Anrede: " Wie kannst du als Jude mich, eine Samariterin, um Wasser
    bitten?" (v.9) Eingelernte, instinktive Abwehr baut sich bei ihr auf. Für diese
    einfache Tat, das Reichen eines Schlucks Wassers, ist die Frau blockiert.
    Zur Vorsicht gesellt sich aber auch Neugierde. Am Brunnen eines Dorfes
    kann es zu interessanten Gesprächen kommen. Hier spielt sich meistens viel ab.
    Und es könnte ja sein, dass dieser fremde Mann wirklich an ihr interessiert ist.
    Die Samariterin ahnt noch nicht, dass tatsächlich ein solches Interesse vorliegt,
    allerdings auf einer ganz anderen Ebene, als sie meint. Als der Fremde eine An-
    deutung davon macht, dass er ihr ein ganz anderes Wasser bieten könnte
    (vv. 10-14), versteht sie nicht. Wie sollte sie auch?

    Schritt für Schritt ...

    Diese Begegnung zwischen der Samariterin und Jesus macht verschiedene Stadien
    durch. Die Frau trifft auf ihr Fremdes, einen Juden. Wir wissen, wie behaftet und 
     hartnäckig  Rassenvorurteile und ethnische Vorstellungen sein können. -
    Dann jedoch weitet sich ihr Bild. Sie wird zunehmend offener und stellt Fragen:
    "Bist du etwa größer als unser Vater Jakob?" (v. 12) -In einem weiteren Schritt
    erkennt sie, dass Jesus ein Prophet ist, der ihr die Wahrheit ihres Lebens auf den
    Kopf zusagt: "Fünf Männer hast du gehabt, und der, den du jetzt hast, ist nicht
    dein Mann." (v. 18) -Aber noch hat sie nicht erkannt, wer da vor ihr steht.
    Noch ist sie befangen und verfangen in Konfessionsvorstellungen, bleibt im
    Äußerlichen hängen. Deshalb kann sie nicht auf das Wesentliche stoßen.
    So führt Jesus sie ein Stück weiter. Er relativiert religiöse Unterscheidungen :
    "Die Stunde kommt, zu der ihr weder auf diesem Berg noch in Jerusalem den
    Vater anbeten werdet". (v.21) Da ahnt die Samariterin, dass sie vielleicht mit
    dem Messias spricht. Und trotzdem wähnt sie das Ereignis seines Kommens in
    weiter Ferne. Sie artikuliert ihre Hoffnung und drückt ihren Glauben an seine
    Ankunft aus: "Wenn er kommt, wird er uns alles verkünden". (v.25) dass der
    Messias jetzt, in dieser Stunde, für sie gekommen ist, damit rechnet sie nicht.
    Und so spricht Jesus in dieses Nicht-Begreifen hinein: "Ich bin es, der mit dir
    spricht". (v.26)

    Das Glaubensgespräch hat hier seinen Höhepunkt erreicht. Wenn wir noch
    einmal zurückblicken, sehen wir auf Seiten der Frau Ängste, Blockierungen,
    Vorurteile, eine belastete Vergangenheit. Allmählich jedoch entwickelt sich eine
    immer steigende Sehnsucht nach Befreiung, nach Frieden und Geborgenheit.

    ...auf das Wesentliche zu

    Wie leitet Jesus das Gespräch? In der Weise, dass er die immer stärker
    Werdende Sehnsucht wachsen lässt, ohne einzugreifen. Aber auch so, dass er sie
    erkennen,  zumindest ahnen lässt, dass ihre bisherigen Vermutungen und Vorstellungen  nicht ausreichen. "Wenn du wüsstest, worin die Gabe Gottes besteht" (v. IO):
    Damit weckt er das Verlangen der Frau. Er macht sie nachdenklich. Ihre -
    Antwort erfolgt als Zweifel. Und nun beginnt Jesus zu unterscheiden und legt ihr
    die Dinge auseinander: " Wer von diesem Wasser trinkt, wird wieder Durst be-
    kommen; wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, wird nie-
    mals mehr Durst haben". (v. 14) Die Rede ist vom ewigen Leben. Wieder ist
    damit eine Sehnsucht geweckt. Zum ersten Mal spricht die Frau Jesus an. Sie
    außert eine Bitte: "Gib mir dieses Wasser". (v. 15) Aber sie hat noch nicht richtig ver-
    standen. Sie denkt noch in ihren gewohnten Vorstellungen und bleibt ihrem
    Weltbild verhaftet. Sie ist noch zu selbstbezogen, denn sie denkt, sie kann sich
    fortan die Mühe sparen, Wasser schöpfen zu müssen.

Die Wende

    Hier nun scheint das Gespräch zu Ende zu sein. Aber es geht auf einer ganz
    persönlichen Ebene weiter. ..Geh, ruf deinen Mann" (v. 16), wird sie von Jesus
    aufgefordert. Normalerweise verbinden wir damit die Vorstellung, es handle sich
    um den Ehegatten. Hier liegt nun der wunde Punkt der Frau. Wird sie wirklich
    als Person geliebt oder interessiert sich der Mann nur für ihren Körper? Immer-
    hin hat diese Frau schon mehr als fünf Männer gehabt. Ist es nicht ihre tiefste
    Sehnsucht, einmal wirklich als Person angenommen, wirklich in ihrem tiefsten
    Sein ernst genommen zu werden? Es vollzieht sich eine Wende im Gespräch.
    Vorher hatte sie eine Bitte formuliert, nun benennt sie ihre Not: "Ich habe kei-
    nen Mann". (v. 17) Dieses Eingeständnis stellt sie bloß, sie fühlt sich
    ausgeliefert. Sie flüchtet sich in ihren Glauben, der ihr noch Halt gibt. Aber selbst
    dieser Glaube ist nicht unangefochten: Er ist Konfession, und sie fühlt sich durch eine
    andere Konfession verunsichert. "Unsere Väter haben auf diesem Berg Gott
    angegebetet; ihr aber sagt, in Jerusalem sei die Stätte, wo man anbeten muss". (v. 20)
    Noch einmal weckt Jesus ihre Sehnsucht: Es gibt mehr, nämlich 

                           "im Geist und in der Wahrheit anbeten"

    (v. 24). Auf diese Messiasvorstellung "rastet" die Frau "ein". Ja, diese Sehnsucht ist 
    ihr geläufig.
    Nun ist der Moment gekommen, an dem sich Jesus offenbart, hier und jetzt: "Ich bin
    es, ich,  der mit dir spricht." (v. 26) Das ist ganz wörtlich so gemeint. Jesus ist keiner, 
    der bloß schwätzt,  sondern einer, der sie als Gesprächspartner ernst genommen hat, 
    der sie in diesem  Augenblick in ihrem Menschsein angenommen hat. 
    Die Frau läuft in den Ort zurück. dass sie ihren Wasserkrug stehengelassen hat, zeigt, 
    dass ihr anderes wichtiger geworden ist. Sie bezeugt, was ihr widerfahren ist. Und die 
     anderen gehen hin, lernen Jesus kennen und sagen aus eigener Erfahrung: "Nicht mehr
    aufgrund deiner Aussage glauben wir, sondern weil wir ihn selbst gehört haben
    und nun wissen: Er ist wirklich der Retter der Welt." (v.42)

    Begegnung in der Tiefe

    Dieser Frau ist Jesus begegnet. Wir haben gesehen, was für diese Begegnung
    wichtig war: Eine Unzufriedenheit mit dem Bisherigen, Sehnsucht nach dem
    Mehr, die Erkenntnis der eigenen Not (ohne dass gewertet wird). Aber grundlegend
    ist die Sehnsucht Jesu selbst, der den Menschen in einer Weise und in einer
    Tiefe begegnen möchte, die sich diese nicht vorstellen können.
    Eine solche Begegnungsmöglichkeit ist die Eucharistie, eine andere die Medi-
    tation oder ein gutes geistliches Gespräch. Nehmen wir dort Jesus wirklich so
    auf, wie er aufgenommen sein will? Vertrauen wir ihm uns ganz an, mit all unse-
    rer Schwäche, unserer Sehnsucht, unserer Hoffnung? Glauben wir fest daran,
    dass er hier und jetzt unser Erlöser ist und sein will. Überlassen wir ihm die Art
    und Weise, wie er kommt? Sind wir bereit, uns ihm ganz zu öffnen? Sind wir be-
    reit, unsere Ersatzlösungen zu erkennen und aufzugeben? - 
    Das sind viele Fragen,  die der Text uns persönlich stellt. Antworten muss jeder für 
    sich selbst. Jeder muss selbst sein Gespräch mit Jesus wagen, betend, zweifelnd, 
    hoffend, sich führen lassend. Dabei mag es hilfreich sein, sich an das zu erinnern, was 
    an Gesprächen schon stattgefunden hat, wo vielleicht Blockierungen aufgetreten sind
   und warum. Der Herr selbst hilft uns, immer wieder neu das Gespräch mit ihm
   zu beginnen. Ein solches läßt Frieden und Geborgenheit entstehen.

    Gundikar Hock, Frankfurt am Main
 

    1 Vgl. Ignatius von Loyola, Der Bericht des Pilgers.