.
EINÜBUNG UND WEISUNG
Das Gespräch mit Jesus wagen -
Eine Betrachtung
zu Joh 4,1-26
Im Leben des hl. Ignatius war es ein
entscheidender
Augenblick, als ihm auf
der Suche nach geistlichen Lehrern einmal eine alte
Frau begegnete und ihm
sagte: "Ich wünschte dir, dass dir Christus
begegnete" l. Ignatius reagierte er-
staunt und betroffen. Ihm sollte eine Erscheinung
zuteil werden? - Das Wort
der Frau ließ ihn nicht los. Es
beschäftigte
ihn. Und tatsächlich geschah es
schließlich, dass ihm Christus erschien und
ihm seine Sendung klarmachte.
Wünschen wir uns das ab und zu, dass Christus
uns begegnete? Ich meine, wir
müssten dafür offen sein. Wie eine solche
Begegnung ausschauen kann, schildert
auf exemplarische Weise die Erzählung des
Gesprächs
zwischen der Samariterin
und Jesus am Jakobsbrunnen. Persönliche
Konturen
nimmt diese Szene für uns
jedoch nur an, wenn wir sie aktualisieren und uns
fragen, welche der aufgezeig-
ten Mechanismen dieser Frau wir in uns selber
antreffen.
Vorsicht und Neugierde
Da kommt eine Frau zum Brunnen. Sie
trifft auf einen
ihr unbekannten Mann.
Dieser spricht sie an und bittet um einen Schluck
Wasser: "Gib mir zu trinken."
(4,7) Sie merkt sofort, dass dieser Fremde Jude
ist und wundert sich deshalb
über die Anrede: " Wie kannst du als Jude mich,
eine Samariterin, um Wasser
bitten?" (v.9) Eingelernte, instinktive Abwehr baut
sich bei ihr auf. Für diese
einfache Tat, das Reichen eines Schlucks Wassers,
ist die Frau blockiert.
Zur Vorsicht gesellt sich aber auch Neugierde. Am
Brunnen eines Dorfes
kann es zu interessanten Gesprächen kommen.
Hier spielt sich meistens viel ab.
Und es könnte ja sein, dass dieser fremde Mann
wirklich an ihr interessiert ist.
Die Samariterin ahnt noch nicht, dass
tatsächlich
ein solches Interesse vorliegt,
allerdings auf einer ganz anderen Ebene, als sie
meint. Als der Fremde eine An-
deutung davon macht, dass er ihr ein ganz anderes
Wasser bieten könnte
(vv. 10-14), versteht sie nicht. Wie sollte sie
auch?
Schritt für Schritt ...
Diese Begegnung zwischen der
Samariterin und Jesus
macht verschiedene Stadien
durch. Die Frau trifft auf ihr Fremdes, einen Juden.
Wir wissen, wie behaftet und
hartnäckig Rassenvorurteile und
ethnische Vorstellungen sein können. -
Dann jedoch weitet sich ihr Bild. Sie wird zunehmend
offener und stellt Fragen:
"Bist du etwa größer als unser Vater
Jakob?" (v. 12) -In einem weiteren Schritt
erkennt sie, dass Jesus ein Prophet ist, der ihr
die Wahrheit ihres Lebens auf den
Kopf zusagt: "Fünf Männer hast du gehabt,
und der, den du jetzt hast, ist nicht
dein Mann." (v. 18) -Aber noch hat sie nicht
erkannt,
wer da vor ihr steht.
Noch ist sie befangen und verfangen in
Konfessionsvorstellungen,
bleibt im
Äußerlichen hängen. Deshalb kann
sie nicht auf das Wesentliche stoßen.
So führt Jesus sie ein Stück weiter. Er
relativiert religiöse Unterscheidungen :
"Die Stunde kommt, zu der ihr weder auf diesem Berg
noch in Jerusalem den
Vater anbeten werdet". (v.21) Da ahnt die
Samariterin,
dass sie vielleicht mit
dem Messias spricht. Und trotzdem wähnt sie
das Ereignis seines Kommens in
weiter Ferne. Sie artikuliert ihre Hoffnung und
drückt ihren Glauben an seine
Ankunft aus: "Wenn er kommt, wird er uns alles
verkünden".
(v.25) dass der
Messias jetzt, in dieser Stunde, für sie
gekommen
ist, damit rechnet sie nicht.
Und so spricht Jesus in dieses Nicht-Begreifen
hinein:
"Ich bin es, der mit dir
spricht". (v.26)
Das Glaubensgespräch hat hier
seinen Höhepunkt
erreicht. Wenn wir noch
einmal zurückblicken, sehen wir auf Seiten
der Frau Ängste, Blockierungen,
Vorurteile, eine belastete Vergangenheit.
Allmählich
jedoch entwickelt sich eine
immer steigende Sehnsucht nach Befreiung, nach
Frieden
und Geborgenheit.
...auf das Wesentliche zu
Wie leitet Jesus das Gespräch? In
der Weise,
dass er die immer stärker
Werdende Sehnsucht wachsen lässt, ohne
einzugreifen.
Aber auch so, dass er sie
erkennen, zumindest ahnen lässt, dass
ihre bisherigen Vermutungen und Vorstellungen nicht ausreichen.
"Wenn
du wüsstest, worin die Gabe Gottes besteht" (v. IO):
Damit weckt er das Verlangen der Frau. Er macht
sie nachdenklich. Ihre -
Antwort erfolgt als Zweifel. Und nun beginnt Jesus
zu unterscheiden und legt ihr
die Dinge auseinander: " Wer von diesem Wasser
trinkt,
wird wieder Durst be-
kommen; wer aber von dem Wasser trinkt, das ich
ihm geben werde, wird nie-
mals mehr Durst haben". (v. 14) Die Rede ist vom
ewigen Leben. Wieder ist
damit eine Sehnsucht geweckt. Zum ersten Mal spricht
die Frau Jesus an. Sie
außert eine Bitte: "Gib mir dieses Wasser".
(v. 15) Aber sie hat noch nicht richtig ver-
standen. Sie denkt noch in ihren gewohnten
Vorstellungen
und bleibt ihrem
Weltbild verhaftet. Sie ist noch zu selbstbezogen,
denn sie denkt, sie kann sich
fortan die Mühe sparen, Wasser schöpfen
zu müssen.
Die Wende
Hier nun scheint das Gespräch zu
Ende zu sein.
Aber es geht auf einer ganz
persönlichen Ebene weiter. ..Geh, ruf deinen
Mann" (v. 16), wird sie von Jesus
aufgefordert. Normalerweise verbinden wir damit
die Vorstellung, es handle sich
um den Ehegatten. Hier liegt nun der wunde Punkt
der Frau. Wird sie wirklich
als Person geliebt oder interessiert sich der Mann
nur für ihren Körper? Immer-
hin hat diese Frau schon mehr als fünf
Männer
gehabt. Ist es nicht ihre tiefste
Sehnsucht, einmal wirklich als Person angenommen,
wirklich in ihrem tiefsten
Sein ernst genommen zu werden? Es vollzieht sich
eine Wende im Gespräch.
Vorher hatte sie eine Bitte formuliert, nun benennt
sie ihre Not: "Ich habe kei-
nen Mann". (v. 17) Dieses Eingeständnis stellt
sie bloß, sie fühlt sich
ausgeliefert. Sie flüchtet sich in ihren
Glauben,
der ihr noch Halt gibt. Aber selbst
dieser Glaube ist nicht unangefochten: Er ist
Konfession,
und sie fühlt sich durch eine
andere Konfession verunsichert. "Unsere Väter
haben auf diesem Berg Gott
angegebetet; ihr aber sagt, in Jerusalem sei die
Stätte, wo man anbeten muss". (v. 20)
Noch einmal weckt Jesus ihre Sehnsucht: Es gibt
mehr, nämlich
"im Geist und in der Wahrheit anbeten"
(v. 24). Auf diese Messiasvorstellung
"rastet" die
Frau "ein". Ja, diese Sehnsucht ist
ihr geläufig.
Nun ist der Moment gekommen, an dem sich Jesus
offenbart,
hier und jetzt: "Ich bin
es, ich, der mit dir spricht." (v. 26) Das
ist ganz wörtlich so gemeint. Jesus ist keiner,
der bloß schwätzt, sondern einer,
der sie als Gesprächspartner ernst genommen hat,
der sie in diesem Augenblick in ihrem
Menschsein
angenommen hat.
Die Frau läuft in den Ort zurück. dass
sie ihren Wasserkrug stehengelassen hat, zeigt,
dass ihr anderes wichtiger geworden ist. Sie
bezeugt,
was ihr widerfahren ist. Und die
anderen gehen hin, lernen Jesus kennen und
sagen aus eigener Erfahrung: "Nicht mehr
aufgrund deiner Aussage glauben wir, sondern weil
wir ihn selbst gehört haben
und nun wissen: Er ist wirklich der Retter der
Welt."
(v.42)
Begegnung in der Tiefe
Dieser Frau ist Jesus begegnet. Wir
haben gesehen,
was für diese Begegnung
wichtig war: Eine Unzufriedenheit mit dem
Bisherigen,
Sehnsucht nach dem
Mehr, die Erkenntnis der eigenen Not (ohne dass
gewertet wird). Aber grundlegend
ist die Sehnsucht Jesu selbst, der den Menschen
in einer Weise und in einer
Tiefe begegnen möchte, die sich diese nicht
vorstellen können.
Eine solche Begegnungsmöglichkeit ist die
Eucharistie,
eine andere die Medi-
tation oder ein gutes geistliches Gespräch.
Nehmen wir dort Jesus wirklich so
auf, wie er aufgenommen sein will? Vertrauen wir
ihm uns ganz an, mit all unse-
rer Schwäche, unserer Sehnsucht, unserer
Hoffnung?
Glauben wir fest daran,
dass er hier und jetzt unser Erlöser ist und
sein will. Überlassen wir ihm die Art
und Weise, wie er kommt? Sind wir bereit, uns ihm
ganz zu öffnen? Sind wir be-
reit, unsere Ersatzlösungen zu erkennen und
aufzugeben? -
Das sind viele Fragen, die der Text uns
persönlich
stellt. Antworten muss jeder für
sich selbst. Jeder muss selbst sein Gespräch
mit Jesus wagen, betend, zweifelnd,
hoffend, sich führen lassend. Dabei mag es
hilfreich sein, sich an das zu erinnern, was
an Gesprächen schon stattgefunden hat, wo
vielleicht
Blockierungen aufgetreten sind
und warum. Der Herr selbst hilft uns, immer wieder neu
das Gespräch mit ihm
zu beginnen. Ein solches läßt Frieden und
Geborgenheit
entstehen.
Gundikar Hock, Frankfurt am Main
1 Vgl. Ignatius von Loyola, Der Bericht des
Pilgers.
.
|