Betender Tagesrückblick

IHS
 
Im Exerzitienbuch empfiehlt Ignatius, täglich etwa eine Viertelstunde lang einen betenden Tagesrückblick zu halten. Folgende fünf Punkte nennt er als Hilfe für diesen Rückblick.

1. Gott danken für alles Gute, das ich heute erlebt habe.

2. Darum bitten, dass ich mit mir selber ehrlich bin und mir nichts vormache.

3. Anschauen, was ich heute getan, erlebt und gedacht habe, das, was gut war, aber auch das, was nicht so gut war.

4. Gott um Verzeihung für meine Fehler bitten.

5. Mir mit Gottes Gnade vornehmen, was ich in Zukunft besser machen will.

ERSTER PUNKT: An erster Stelle soll nicht das stehen, was ich selber getan habe, sondern das, was ich empfangen habe. So finde ich zurück zur Grundbeziehung zu meinem Schöpfer, nämlich zu der Einsicht, dass mein Leben ein Geschenk ist.

ZWEITER PUNKT: Manchmal ändert sich nichts in meinem Leben, weil ich mir ständig etwas vormache und nicht aufrichtig vor mir selber sein kann. Darum ist das Bemühen um Ehrlichkeit vor mir selbst, vor anderen, vor Gott so wichtig.

DRITTER PUNKT: Der Mensch kann seine Taten reflektieren und bewerten, um daraus zu lernen. Deshalb ist es ein wichtiger Punkt des Tagesrückblicks, mein Verhalten am Abend noch einmal zu überprüfen und mich zu fragen: Stand mein Verhalten im Einklang mit der Liebe zu Gott, zu den Menschen und zu mir selbst.

VIERTER PUNKT: Wenn einer einen Fehler gemacht hat, dann ist es häufig so, dass er versucht, alles zu beschönigen oder zu vertuschen oder die Schuld auf andere zu schieben. Dadurch wird das Problem aber nicht gelöst. Alles wird viel einfacher, wenn ich in der Lage bin, einen Fehler einzugestehen und dafür um Verzeihung zu bitten. Gott nimmt uns an mit unseren Fehlern und Sünden und liebt uns trotzdem.

FÜNFTER PUNKT: Es gibt Vorsätze, die von Anfang an zum Scheitern verurteilt sind, weil sie völlig unrealistisch sind. Wer sein Verhalten tatsächlich ändern will, sollte sich kleine überprüfbare Schritte vornehmen. Ob so etwas gelingt, hängt nicht nur von uns ab. Darum ist es gut, um Gottes Gnade bei der Verwirklichung dieses Vorsatzes zu bitten.

vgl. Exerzitienbuch Nr. 43

Schritte einer Tagesauswertung

1. Gott, du bist mir jetzt nah. Ich weiß, du kennst mich mit meinem Namen, denn immer wieder sagst du ja zu mir. Was ich bin, und was ich habe, schenkst du mir. Ich danke dir für mein Leben, für alles, was du mir gibst und heute geschenkt hast.

2. Lass mich diesen Tag anschauen, Gott, er ist lang gewesen. Ich will ehrlich sein mit mir selbst und sehen, was wirklich war und wie ich war. Schenke mir dazu dein Licht.

3. Ich will nicht nur die Ereignisse erinnern, sondern auch die Gefühle, die mich jeweils bewegt haben, und wohin sie mich bewegt haben. Gab es besonders intensive, außergewöhnliche, fremdartige, störende Erfahrungen und Gefühle? Gott, wolltest du mir damit etwas sagen oder zeigen?

4. So war mein Tag, Gott. Ich danke Dir besonders für ...
manchmal habe ich auch vergessen, dass Du mit mir gehst ...
es tut mir leid.

5. Morgen wird mich besonders beschäftigen...
Und nun bitte ich dich, Gott um deinem  Segen für die Nacht - für meine Familie,
für bestimmte Menschen, für mich selbst. Diesen Tag Gott, gebe ich dir zurück.
Schenke mir morgen einen neuen Tag.

Ein Abendgebet

Deinem Segen verdanke ich es, wenn mir der Tag geglückt ist.
Jeder günstige Zufall, der mir heute begegnete,
jede Gelegenheit Gutes zu tun, die sich mir darbot,
jeder Antrieb zum Wohltun, den ich in mir verspürte,
das Gute, das ich wirklich tat, und das Böse, das ich unterließ,
der Sieg, den ich über mich erstritt,
das Gebet, das ich kindlich froh verrichtete,
der Trost, den ich gab oder empfing,
das Tugendbeispiel, das mir von anderen in die Augen leuchtete,
oder das ich vor anderen leuchten ließ,
der vernünftige Rat, den ich gab oder mir geben ließ,
jeder wirksame Gedanke an deine Allgegenwart, Vater,
jede Erinnerung an deinen Sohn, meinen Herrn Jesus Christus,
jede Regung des Glaubens an sein Wort,
jeder stille Blick auf sein Beispiel,
jede dankbare Freudenträne an seine Liebe,
jeder Seufzer über fremdes Elend und jeder Entschluss ihm abzuhelfen,
aller Ruf zum Guten und alles Gute, das ich getan habe, ist deine Gabe.

Ja, auch an diesem Tage habe ich nicht alles getan, was ich hätte tun sollen;
und was ich getan, habe ich nicht mit der Gesinnung getan, mit welcher ich es hätte tun können....

Johann Michael Sailer (1751?1832)